Diskussionsbeiträge
der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 53, 2004
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2 | Evaluation of the war parties' rights and intentions |
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E2 | Escalation-oriented pole: Antagonism |
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E2.3 |
Denial of common interests or emphasis on incompatibility of interests, culture etc. |
Example E2.3.1 |
Süddeutsche Zeitung,
18.01.1991
Weltweite
Bestürzung über den Ausbruch des Krieges
Gorbatschow gibt Saddam Hussein die Schuld
In vielen Stellungnahmen heißt es aber auch, die internationale
Gemeinschaft habe versagt
München
(SZ) - Bestürzt und betroffen, häufig auch mit zwiespältigen
Gefühlen hat die Welt am Donnerstag auf den Beginn des Golfkrieges reagiert.
Die Stellungnahmen reichten von verhaltener bis uneingeschränkter Unterstützung
des Vorgehens der multinationalen Streitkräfte. Kaum Parteinahme gibt es
für den Irak.
Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow gab in einer ersten Stellungnahme
dem irakischen Staatschef Saddam Hussein die Schuld am Krieg: Der 'tragische
Gang der Ereignisse' sei von der Weigerung der irakischen Führung verursacht
worden, sich gemäß dem Verlangen der Völkergemeinschaft aus
Kuwait zurückzuziehen.
Gorbatschow teilte mit, daß er noch bis zuletzt um eine gütliche
Beilegung der Golfkrise bemüht gewesen sei. Erst eine Stunde vor dem Angriff
der alliierten Luftverbände auf den Irak wurde er vom US-Außenminister
Baker telephonisch unterrichtet und empfahl Präsident Bush, noch einen
Versuch eines direkten Kontakts mit Saddam Hussein zu unternehmen. Gleichzeitig
sei der sowjetische Botschafter in Bagdad angewiesen worden, sich um eine Kontaktaufnahme
mit dem irakischen Präsidenten zu bemühen, sagte Gorbatschow.
Nach Angaben des sowjetischen
Außenamtssprechers Witalij Tschurkin überreichte Moskaus Botschafter
Viktor Posowaljuk dem irakischen Außenminister Tarek Asis am Donnerstag
in einem Bunker des Ministeriums eine Botschaft, in der Bagdad 'klar und unzweideutig'
aufgefordert wurde, sich zum Rückzug aus Kuwait bereitzuerklären.
Das Präsidium des Obersten Sowjets verabschiedete am Abend eine Resolution
zur Situation am Golf und forderte darin die Vereinten Nationen sowie den UNO-Generalsekretär
zu erneuten Initiativen zur Beilegung des Konflikts auf. In der vorangegangenen
Nacht hatten sowjetische Regierungsvertreter Kontakt mit Politikern in Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Indien und arabischen Staaten aufgenommen.
Laut Gorbatschow sind alle Gesprächspartner um gemeinsame Bemühungen
mit dem Ziel gebeten worden, den Konflikt zu begrenzen. Die sowjetische Seite
habe 'alles Erdenkliche' getan, die Auseinandersetzung auf nichtmilitärischem
Wege beizulegen.
Alliierte sagen den USA volle Unterstützung zu
Die
alliierten Truppen werden dem Irak nach Angaben des britischen Premierministers
John Major keine Zeit lassen, seine Streitkräfte nach den Luftangriffen
umzugruppieren. Am Donnerstagmorgen sagte der Premier, die Offensive sei 'sehr
erfolgreich'. Sie werde in großem Umfange fortgesetzt, es sei denn, Saddam
Hussein beginne mit dem Rückzug aus Kuwait. Zwischen Washington und London
ist eine abhörsichere Leitung geschaltet worden. Seit 8 Uhr tagt in Downing
Street 10 unter Vorsitz Majors das 'Kriegskabinett'. Oppositionsführer
Neil Kinnock erklärte: 'Wir hoffen, daß der Krieg so kurz wie möglich
ist und möglichst wenige Opfer fordert. Die Welt wäre erleichtert,
wenn Saddam Hussein begreifen würde, daß er Tod und Zerstörung
vermeiden könnte, wenn er nachgäbe.'
Auch
der französische Außenminister Roland Dumas gab Saddam Hussein die
Schuld am Ausbruch der Feindseligkeiten. Aufgrund seiner 'Unnachgiebigkeit'
treffe ihn vor der Geschichte die 'schwere Verantwortung, sein Land und sein
Volk dem Unglück eines Krieges ausgesetzt zu haben', sagte Dumas bei Eröffnung
der außerordentlichen Ministerratstagung der Westeuropäischen Union
in Paris.
Die irakische Führung
habe weder die Weitsicht noch den Mut gehabt, eine Politik zu beenden, die von
der Weltgemeinschaft einhellig verurteilt worden sei, erklärte im Namen
der EG ihr Ratsvorsitzender Luxemburg. Weitere Opfer und größere
Zerstörung könnten nur durch einen irakischen Rückzug aus dem
besetzten Kuwait verhindert werden. Auch der spanische Ministerpräsident
Gonzalez erklärte, der Irak müsse zum Rückzug gezwungen werden.
Zugleich müsse aber alles unternommen werden, nicht nur den Konflikt um
Kuwait, sondern alle Probleme der Region zu lösen.
Die
Regierungschefs Dänemarks und Norwegens, Schlüter und Brundtland,
bedauerten ebenfalls, daß die Unnachgiebigkeit des Irak diese 'Tragödie
mit unabsehbaren Folgen' unvermeidlich gemacht habe. Von einem 'Rückschritt
für die Humanität' sprach der irische Ministerpräsident Charles
Haughey.
'Die Waffen sprechen. Es blieb leider kein anderer Weg', erklärte der niederländische
Ministerpräsident Ruud Lubbers in einer Rundfunkansprache. Lubbers versicherte:
'Wir stehen hinter Präsident Bush.' In bewußter Überlegung sei
beschlossen worden, auch niederländische Truppen an den Golf zu schicken.
Volle Unterstützung bekundeten auch Japan, Südkorea, Kanada und Südafrika.
Zu den wenigen Stimmen, die Widerspruch gegen das Vorgehen im Irak erhoben,
zählten Cuba, Jemen und Nordkorea. Auch Jordanien und der Iran kritisierten
den Angriff der USA, der den Moslems Tod und Zerstörung bringe. Den
USA dürfe nicht gestattet werden, ihren Einfluß in der Region zu
sehr auszudehnen. Zugleich warf Irans Präsident Rafsandjani dem
Irak vor, einen gewaltigen Fehler gemacht zu haben. Der iranische UNO-Botschafter
Khamal Kharazzi sagte, sein Land sei bereit, im Golfkrieg zu vermitteln und
den Opfern des Konflikts humanitäre Hilfe zu leisten. UNO-Generalsekretär
Perez de Cuellar erklärte, als 'Mann des Friedens' und Führer einer
Organisation, die für den Frieden in der Welt stehe, könne er über
den Krieg nur traurig sein. Er hatte sich in Bagdad verzweifelt bemüht,
den Krieg noch abzuwenden, aber kein Gehör bei der irakischen Führung
gefunden.
Papst: Niederlage des Rechts
Papst
Johannes Paul II. beklagte den Beginn des Krieges als 'schwere Niederlage des
internationalen Rechts und der Weltgemeinschaft'. Bis zum letzten Moment habe
er gebetet und 'das Menschenmögliche' getan, um eine 'Tragödie' abzuwenden.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche brachte seine 'tiefste Trauer' und vor
allem seinen Schmerz um die Opfer auf beiden Seiten zum Ausdruck. 'Der Krieg
ist kein geeignetes Mittel, um die Probleme zwischen Nationen zu lösen,
er ist es nie gewesen und wird es nie sein.' Er hoffe, daß der erste Kriegstag
ausreiche, um alle begreifen zu lassen, daß besondere Anstrengungen für
eine Lösung nötig sind.
Der libysche Revolutionsführer
Khadhafi erklärte in einer 'dringenden Botschaft', es sei 'internationale
Pflicht und Verantwortung des UNO-Generalsekretärs', alles zu tun, damit
die militärischen Operationen gegen den Irak entsprechend den UNO-Resolutionen
'nicht über die Befreiung Kuwaits' hinausgingen. Dem irakischen Volk müßten
'unverantwortliche Konsequenzen' erspart werden.
Der Golfkooperationsrat begrüßte den Angriff. Der Rat erklärte,
die Völker am Golf würden das 'Verbrechen' derjenigen nicht vergessen,
die die irakische Aggression unterstützt hätten. Dies gilt als Drohung
an die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), die sich auf die
Seite des Irak gestellt hat. Dem Rat gehören Saudi-Arabien, Kuwait, Katar,
die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Oman an. König Fahd von
Saudi-Arabien beschuldigte Saddam Hussein, den Ausbruch des Krieges 'unvermeidbar'
gemacht zu haben.
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