Diskussionsbeiträge
der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 53, 2004
Südkurier, 06.11.1997
Widersinnig
Der Vorstoß des französischen
Präsidenten und seines Regierungschefs, einen eigenen Kandidaten für
das Amt des Präsidenten der europäischen Zentralbank zu benennen ist
ebenso ungeschickt wie illusorisch. Für die Ernennung bedarf es der Einstimmigkeit.
Das Veto der Holländer, die einen eigenen Kandidaten stellen, gilt aber
als sicher.
Tatsächlich befürchtet Paris wieder einmal ein angeblich erdrückendes
deutsches Übergewicht im währungspolitischen Bereich. Dem holländischen
Kandidaten Wim Duisenberg wird unterstellt, nur der Schatten des deutschen Bundesbankpräsidenten
Hans Tietmeyer zu sein - und so ein Werkzeug der Bundesbank.
Frankreich
besitzt für seine Offensive gegen das imaginäre Übergewicht der
Bundesbank nicht die geringsten Erfolgsaussichten. Es verhindert zwar die Wahl
Duisenbergs, hat aber nicht die Gewißheit, damit einem gefügigeren
Kandidaten den Weg zu ebnen. Außerdem dürfte
Paris auf Schwierigkeiten stoßen, wenn es versucht, Landsleute an die
Spitze anderer europäischer und internationaler Einrichtungen zu stellen.
Nicht zuletzt gefährdet Frankreich seinen internationalen Ruf. Denn
nationalegozentrischer Ehrgeiz und Eitelkeiten sind weniger denn je beliebt.
ALFRED FRISCH, PARIS
back to documents
back to overview