Diskussionsbeiträge
der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr. 53, 2004
Südkurier, 23.02.91
"Denkbar
schlechteste Lösung"
Israelische Politiker sehen bei einem sofortigen Waffenstillstand erhöhte
Gefahr für ihr Land
Von SÜDKURIER-Korrespondent Charles A. Landmann, Tel Aviv
Als schlechtestmögliche aller Lösungen wird in Israel ein sofortiger Waffenstillstand bezeichnet. Man hofft, daß die USA die irakische Kriegsmaschinerie vollständig zerstören und Saddam Hussein von der Macht vertrieben wird. 'Sehr schlecht und gefährlich' für Israel bezeichnete Ministerpräsident Jizchak Schamir die Möglichkeit, daß Saddam Hussein nach Ende des Golfkrieges an der Macht und 'ein substantieller Teil seiner gewaltigen Armee intakt bleibt'.
Praktisch
alle Kommentatoren werteten die Möglichkeit eines Waffenstillstandes zum
gegenwärtigen Zeitpunkt als die 'für Israel schlechtestmögliche
Lösung'. Die Tatsache, daß der Irak erstmals auf das Junktim Kuwait-Palästina
verzichtet hat, wird zwar erwähnt, nicht aber als politischer Erfolg eingestuft.
Eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen würde
Israel nicht nur weiterhin der Gefahr irakischer Raketenangriffe aussetzen,
sondern diese gar noch erhöhen. Einerseits
wäre der jüdische Staat praktisch auf sich allein gestellt und andererseits
könnte der Irak dann sein gesamtes Angriffspotential auf Israel richten.
Ex-Außenminister
Abba Eban faßte die israelische Meinung für den Fall eines sofortigen
Waffenstillstandes mit der Feststellung zusammen: Die USA hätten dann zwar
den Krieg gewonnen, das Kriegsziel aber verfehlt. Denn dieses sei nicht allein,
wie in den UNO-Beschlüssen deklariert, der irakische Abzug aus Kuwait,
sondern Saddam Husseins Ausschaltung und die Zerstörung der irakischen
Kriegsmaschinerie.
Obwohl
nach wie vor 83,6 Prozent aller Israelis gegen ein militärisches Eingreifen
zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind und 62,7 Prozent gar glauben, Israel solle
sich auch in Zukunft aus dem Krieg heraushalten, steigt der Druck innerhalb
der Regierung. Traten bisher nur vier Minister für ein militärisches
Einschreiten gegen den Irak ein, so wird sich diese Zahl sprunghaft erhöhen,
falls die Kampfhandlungen jetzt eingestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit,
daß Israel bis zum Beginn des irakischen Abzuges oder gar noch während
dieser vollzogen wird, zumindest zum Schlag gegen die irakischen Raketenabschußrampen
und Scuds in Westirak ausholt, wird in diesem Fall erheblich größer.
Ausnahmslos alle palästinensischen Politiker in den besetzten Gebieten
begrüßten demgegenüber den sowjetischen Friedensplan und die
irakische Zustimmung dazu. Die Tatsache, daß Bagdad erstmals auf das Junktim
mit dem Palästinenserproblem verzichtet hat, werde ohne politische Auswirkungen
bleiben. Wenn der Golfkrieg zu Ende sei, dann werde auch über Palästina
verhandelt werden.
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