conflict & communication online, Vol. 1, No. 1, 2002
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Kerstin Stettner & Franz Januschek (Oldenburg)
Entlarven - ein Handlungsmuster des populistischen Diskurses (am Beispiel der Haider-Talkshow von und mit Erich Böhme)

Der Talkmaster Erich Böhme hatte nach der Angelobung der ÖVP-FPÖ-Koalitionsregierung Anfang 2000 Jörg Haider zusammen mit einigen anderen Gästen zu "Talk in Berlin" am 5.2.2000 eingeladen. Zuvor hatte Sabine Christiansen nach den Absagen von Michel Friedman und Otto Schily und öffentlichen Protesten dagegen, Haider ein Forum zu schaffen, diesen aus ihrer eigenen Talkshow wieder ausgeladen. Erich Böhme wollte sich das Medienereignis und die damit verbundene Einschaltquote offenbar nicht entgehen lassen, und verlegte sogar die Premiere seiner Talkshow zwei Wochen vor den ursprünglichen Sendestart. Während es außer Frage steht, dass der Auftritt Haiders in Böhmes Talkshow ihn wider des letzteren Willen zum politischen Sympathieträger gemacht hat, wird dieses Ergebnis doch meist eher mangelnden Fähigkeiten des Moderators und der übrigen Gesprächsbeteiligten zugeschrieben als dem Setting der Sendung mit seinem zentralen Muster "Entlarven".
Im vorliegenden Aufsatz wird dagegen die These vertreten, dass das Entlarven eines (Rechts-) Populisten ein Bestandteil des populistischen Diskurses selbst ist und nicht etwa ein Mittel zu dessen Bekämpfung. Insbesondere wird herausgearbeitet, dass sich auch die Beteiligten eines investigativen Interviews leicht in den populistischen Diskurs verstricken, indem sie einem bekannten Rechtsextremisten öffentlich in Besserungsabsicht ins Gewissen reden, und die politische Fernsehdiskussion von ihnen so konstituiert wird, dass nicht die inhaltliche Auseinandersetzung, sondern der reine verbale Schlagabtausch im Vordergrund steht - ein mediales Setting, in dem es Haider ein Leichtes war, sich von seiner besten Seite zu zeigen.
Durch die Erstellung eines Streitgerüsts für die untersuchte Talkshow lässt sich die kämpferische Funktion der einzelnen Beiträge hervorheben und das Fehlen von argumentativer Komplexität und Verständigungsbereitschaft nachweisen - Aspekte, die jedoch Voraussetzung sind für eine gelungene Entlarvung.

 

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Zu den Autoren:
Franz Januschek, Außerplanmäßiger Professor für germanistische Sprachwissenschaft an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. Leiter des SPRACHBÜROs in Oldenburg und Geschäftsführer der Sprach- und Kommunikationsberatung transcript. Schwerpunkte u.a.: fremdenfeindliche Medienberichterstattung in Österreich, politische Sprache des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus, Lehrerfortbildung und Rückkehrer-Reintegrationsbegleitung im Kosovo. Veröffentlichungen u.a.: "Doppelzüngler. Die Sprache der ´Republikaner´" (zus.m. Sonja Bredehöft, Duisburg 1994); "Schlagwort Haider. Ein politisches Lexikon seiner Aussprüche von 1986 bis heute" (zus.m. Gudmund Tributsch, Wien 1994); "´Notwendige Maßnahmen gegen Fremde?´ Genese und Formen von rassistischen Diskursen der Differenz in Österreich" (zus. m. Bernd Matouschek und Ruth Wodak, Wien 1995).
Adresse: Gotenstr. 26, D-26121 Oldenburg. e-mail: franz.januschek@uni-oldenburg.de, franzjanuschek@hotmail.com

Kerstin Stettner, Lehrbeauftragte für Englisch an der Universität Bremen und der Hochschule Bremen. Studium der Germanistik und Anglistik für das Lehramt Gymnasium an den Universitäten Oldenburg und Glasgow. Examensarbeit zum Thema "Empirische Analyse populistischer Sprache am Beispiel Jörg Haiders". Derzeit Promotion zum Thema "Der Umgang mit Rechtspopulismus in den deutschen Medien" im Bereich Germanistik/ Sprachwissenschaft an der Universität Oldenburg.
Adresse: Zwickauer Str. 4, D-28215 Bremen. e-mail: kerstinstettner@gmx.net