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Mit dem Themenheft
"Rechtspopulismus und nationale Identität" liegt die erste
Ausgabe der Zeitschrift conflict & communication online vor,
die es sich zum Ziel gesetzt hat, Theorien, methodologische Ansätze
und empirische Befunde der unterschiedlichsten Disziplinen, die Konflikt
und/oder Kommunikation zum Forschungsgegenstand haben, zusammenzuführen
und unter friedenswissenschaftlicher Perspektive miteinander zu integrieren.
Eine friedenswissenschaftliche Perspektive, die sich die Prävention
und Reduktion von Gewalt mit gewaltfreien Mitteln zur Aufgabe macht, erfordert
unseres Erachtens nicht nur angewandte Forschung zu aktuellen Konfliktfeldern,
sondern zugleich auch die Etablierung einer transdisziplinären Grundlagenforschung,
die zwar einerseits auf verallgemeinerbare Ergebnisse abzielt, welche
über die konkreten Fallstudien hinausweisen, die aber andererseits
nur anhand ihrer Rückkoppelung an die Praxis validiert werden kann.
Das Spektrum der Themen, welche in conflict & communication online
vertreten sein sollen, umfasst daher theoretische Beiträge ebenso
wie empirische Studien und methodologische Erörterungen ebenso wie
praktische Reflexionen. Es reicht von sozialpsychologischer Kleingruppenforschung
bis zur Untersuchung inner- und zwischenstaatlicher Kriege, von der Analyse
interpersonaler Kommunikation bis zur Massenkommunikationsforschung und
von Konfliktmanagement bis hin zu Journalismus und den neuen Informationstechnologien.
Rechtspopulismus und nationale Identität werden im vorliegenden Heft
anhand des Fallbeispiels "Österreich" thematisiert, das
mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ vor ca. 2 Jahren weltweit in
die Schlagzeilen geraten war und scharfe Reaktionen der anderen EU-Länder
auf sich gezogen hatte. Auch wenn sich die Beziehungen zwischen Österreich
und seinen EU-Partnerländern inzwischen wieder normalisiert haben,
ist die Regierungsbeteiligung der FPÖ angesichts der offen zur Schau
getragenen NS-Sympathien ihres Vordenkers Jörg Haider und ihres offen
ausländerfeindlichen Wahlkampfes bei den Nationalratswahlen im Oktober
1999 kein Thema, das sich einfach ad acta legen ließe. Im Gegenteil
wirft gerade die Rückkehr zur europäischen Tagesordnung erst
recht die Frage auf, auf welche Art von Europa wir denn eigentlich zusteuern.
Dies umso mehr, als mit dem Wahlsieg Berlusconis mittlerweile auch in
Italien eine rechtspopulistische Partei an die Macht gekommen ist und
der Populismus einen Politikstil darstellt, die sich inzwischen weit über
die Rechtsparteien hinaus auszubreiten begonnen hat und etwa in Großbritannien
und Deutschland für die Regierungspolitik von Tony Blairs New Labour
und Gerhard Schröders SPD charakteristisch zu werden scheint: Es
steht also zu erwarten, dass uns das Thema noch öfter beschäftigen
wird.
In dieser Ausgabe geht es zunächst um die FPÖ, und zwar aus
dreierlei Perspektive: In Form einer politikwissenschaftlichen Analyse
erklärt Anton Pelinka die Wahlerfolge der FPÖ aus den Rahmenbedingungen
des österreichischen politischen Systems und der österreichischen
Gesellschaft. Mittels einer inhaltsanalytischen Studie zur Konstruktion
nationaler Identität in österreichischen Printmedien 1945-1995
zeigt Wilhelm Kempf, wie die österreichische Presse jenem geistigen
Klima Vorschub geleistet hat, das den Aufstieg Haiders ermöglichte;
und anhand einer Diskursanalyse von Erich Böhms Haider-Talkshow belegen
Kerstin Stettner und Franz Januschek die These, wonach das Entlarven eines
(Rechts-) Populisten selbst Bestandteil des populistischen Diskurses ist
und nicht etwa ein Mittel zu dessen Bekämpfung.
Darüber hinaus enthält dieses Heft zwei freie Beiträge,
die mit dem Themenschwerpunkt gleichwohl in mittelbarem Zusammenhang stehen:
In einer Längsschnittsuntersuchung zum Verhältnis zwischen tradierten
Unterschieden und neuen Abgrenzungsidentitäten in der berliner Sprachgemeinschaft
der 90er studiert Irena Regener soziolinguistische Indikatoren ostwestdeutscher
Identität(en), und Ilhan Kizilhan untersucht am Beispiel der Solidargruppen
in Ostanatolien die Dynamik von Konflikten und Konfliktlösungen in
patriarchalen Gemeinschaften.
Konstanz
- Berlin - Toronto
im Januar 2002
Wilhelm
Kempf
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