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Andreas Mattenschlager
& Hubert Riedle
Medienkonstruktion nationaler Identitäten in Deutschland und
der Schweiz, 1946-1995
In einem gemeinsamen
Forschungsprojekt untersuchten drei Universitäten die Konstruktion
nationaler Identitäten durch Mainstream-Printmedien in historischer
Perspektive. Die inhaltsanalytische Arbeit verfolgte das Ziel, herauszufinden,
auf welche Weise die Medien das Konzept der Nationalität aufbauten,
und die geschichtlichen Veränderungen ausfindig zu machen, denen
dieses Konzept zwischen 1945 und 1995 unterworfen war. Der Aufsatz stellt
die Resultate der deutschen und der Schweizer Länderstudie vor.
In der deutschen Studie lag der Betrachtungsschwerpunkt auf den Veränderungsprozessen
in der Konstruktion nationaler Identitäten, im Wechselspiel mit den
massiven politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland
nach dem 2. Weltkrieg. Mit den Jahren nach der Kapitulation des nationalsozialistischen
Deutschlands (1945), der Teilung Deutschlands in BRD und DDR (1949) bis
hin zur Wiedervereinigung Deutschlands (1990) liegen im Untersuchungszeitraum
mehrere politische und gesellschaftliche Ereignisse, die massive Auswirkungen
auf die nationale(n) Identität(en) vermuten lassen. Anhand der Berichterstattung
über historische Aspekte sowie über die deutsch-deutschen Beziehungen
werden speziell die Unterschiede zwischen der Berichterstattung in Ost-
(DDR und Neue Bundesländer, NBL) und Westdeutschland (BRD und Alte
Bundesländer, ABL) beleuchtet. Es zeigt sich dabei, dass die DDR-Presse
deutlicher versuchte, eine neue nationale (DDR-) Identität zu etablieren.
In massierterer Form wurden identitätsbildende Themen dargestellt
und verwendet. Die westdeutsche Presse griff dagegen eher auf subtilere
Mechanismen zurück und stellte (bei Abgrenzung von der NS-Zeit -
wie die ostdeutsche Berichterstattung auch) deutlich mehr Bezüge
zur gemeinsamen deutschen Vergangenheit her.
Die Schweizer Studie unternahm eine quantitative Inhaltsanalyse der Identitätserzeugung
durch vier Zeitungen der deutschsprachigen Schweiz vor dem Hintergrund
relevanter Identitätsdimensionen und einer qualitativen Untersuchung
der historischen und sozialen Veränderungen während des Untersuchungszeitraums.
Einige der Ergebnisse bestätigten die vorausgehenden Erwartungen,
beispielsweise in Bezug auf die durchgängige Westintegration der
"neutralen" Schweiz. Im folgenden Beitrag werden jedoch die
weniger offensichtlichen Aspekte der Modernisierung nationaler Identität
und der zunehmenden Europaintegration besonders betont. Während sich
die vier Zeitungen in ihren Berichterstattungsstilen nur vergleichsweise
wenig unterschieden, konnten kontinuierliche zeitabhängige Veränderungen
aufgezeigt werden, die die Modernisierung nationaler Identitäten
insbesondere seit den 1970er Jahren widerspiegeln: Der unkritische Ausdruck
von Nationalstolz nahm ab, traditionale Institutionen wie die Armee verloren
teilweise ihren früheren Einfluss, und die Selbstdarstellung als
"einzigartige" Nation wurde weniger gängig. Diese Entwicklung
geht klar mit dem Prozess der zunehmenden Europaintegration der Schweiz
einher.
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Zu den Autoren:
Andreas Mattenschlager, geb. 1968, Diplom in Psychologie (Universität
Konstanz, 1997); 1997 - 2001 Mediator und Psychologischer Berater in eigener
Praxis, seit 2002 Mitarbeiter in einer Beratungsstelle für Ehe-, Familien-
und Lebensfragen in Ulm.
Adresse:
Hoferinweg 45, D-89155 Erbach, Germany. e-Mail: mattenschlager@freenet.de
Hubert Riedle, geb. 1969, Diplom in Psychologie (Universität Konstanz,
1997); 1997 - 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Beratungsunternehmens
in Basel; seit 2002 in der strategischen Planung eines Verkehrsunternehmens
in Bern tätig. Arbeitsschwerpunkte: Europäische Verkehrspolitik,
Verkehrsplanung, Infrastruktur- und Kommunikationsberatung, empirische Medienanalyse.
Adresse: Freiburgstrasse 54, CH-3008 Bern, Switzerland. e-Mail: hubert.riedle@gmx.ch |
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