conflict & communication online, Vol. 2, No. 2, 2003
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ISSN 1618-0747

 

 

 

Susan Dente Ross
Framing des palestinensisch-israelischen Konflikts in den New York Times Editorials rund um die Terroranschläge des 11. September 2001

Ziel der vorliegenden Studie ist es, zu untersuchen, wie sich nach den Terroranschlägen des 11. September und der Erklärung eines globalen Krieges gegen den Terrorismus durch die US-Regierung das Framing internationaler Konflikte in amerikanischen Tageszeitungen verändert hat. Gegenstand der Untersuchung ist die Gewalt in Palästina/Israel, die lange Zeit hindurch im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit gestanden hatte und rhetorisch mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht worden war.
Fragestellungen der Studie sind u.a.: Wie hat der Terroranschlag auf amerikanischem Boden die Qualität und Quantität der amerikanischen Medienkommentare zum israelisch-palestinensischen Konflikt verändert? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus bezüglich der Art des Framings internationaler Konflikte, die mit politischen Zielen und sozio-kulturellen Interessen der amerikanischen Politik zwar rhetorisch verbunden sind, die aber keine direkte militärische Beteiligung der USA einschließen? Wie weitreichend sind die Effekte eines derart einschneidenden Ereignisses, und worin bestehen sie?
Medienwirkungsforschung, sozialer Konstruktivismus und die Theorie des Framing bilden die Grundlage der Studie, die davon ausgeht, dass die von den Medien verbreiteten Nachrichten nicht ohne Wirkung auf die Rezipienten bleiben und dass signifikante Veränderungen der Medieninhalte eine Veränderung der Art und Weise nach sich ziehen, wie das Medienpublikum die Welt versteht. Gegenstand der Studie sind jedoch nicht Medieneffekte, sondern die semantischen und narrativen Elemente des Medieninhalts, welche Bedeutungen konstruieren und transportieren.
Editorials und Kommentare der New York Times aus dreizehn Monaten bilden die Datengrundlage der Studie. Obwohl die Framing-Forschung zumeist die Nachrichteninhalte fokussiert, bieten die Kommentare auf der Meinungsseite einen wichtigen Zugang zu den dominanten Frames einer Zeitung, weil sie den öffentlichen Standpunkt der Zeitung zum Ausdruck bringen und einen Kontext für die Dekodierung der Nachrichten herstellen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Anschlag vom 11. September zwar keinen Einfluss auf die Häufigkeit hatte, mit welcher die New York Times Kommentare zum palestinensisch-israelischen Konflikt veröffentlichte. Der Anschlag und andere dramatische Ereignisse während des Untersuchungszeitraums veränderten jedoch den Bezugsrahmen, unter welchem die Diskussion geführt wurde. So stellte die Meinungsseite der New York Times den israelisch-palästinensischen Konflikt in den ersten Wochen nach dem 11. September vornehmlich in den Kontext der eigenen strategischen Interessen der USA. Dieser Effekt war jedoch zeitlich begrenzt. Über den gesamten Untersuchungszeitraum konstant blieb dagegen das unterschiedliche Framing der beiden Konfliktparteien. Im Großen und Ganzen tendierten die Editorials der New York Times dazu, die Palästinenser zu depersonalisieren und sie eher als Gewalttäter darzustellen denn als Opfer. Israelische Gewalttaten wurden dagegen bevorzugt in einen Bezugsrahmen von Recht und Ordnung gestellt, und das persönliche Leid der israelischen Opfer bildete häufig den Kontext, in dem die regionale Gewalt diskutiert wurde
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Zur Autorin:
Susan Dente Ross ist eine ehemalige Journalistin und Zeitungseigentümerin. Sie erhielt ihren Ph.D. in Massenkommunikation mit Schwerpunkt auf Medienrecht von der University of Florida. Derzeit Associate Professor an der Edward R. Murrow School of Communication der Washington State University, stellt sie die Themen Framing, Hasspropaganda, First Amendment Recht und Bürgerbeteiligung ins Zentrum ihrer Forschungstätigkeit. Ihr besonderes Interesse gilt der Frage, wie die Medien und das Recht zu sozialen und internationalen Konflikten beitragen und die politischen Partizipationsmöglichkeiten von Minderheiten einschränken.

Adresse: eMail: suross@wsu.edu