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Susan Dente Ross
Framing des palestinensisch-israelischen Konflikts in den New York
Times Editorials rund um die Terroranschläge des 11. September 2001
Ziel der vorliegenden
Studie ist es, zu untersuchen, wie sich nach den Terroranschlägen
des 11. September und der Erklärung eines globalen Krieges gegen
den Terrorismus durch die US-Regierung das Framing internationaler Konflikte
in amerikanischen Tageszeitungen verändert hat. Gegenstand der Untersuchung
ist die Gewalt in Palästina/Israel, die lange Zeit hindurch im Zentrum
internationaler Aufmerksamkeit gestanden hatte und rhetorisch mit dem
Terrorismus in Verbindung gebracht worden war.
Fragestellungen der Studie sind u.a.: Wie hat der Terroranschlag auf amerikanischem
Boden die Qualität und Quantität der amerikanischen Medienkommentare
zum israelisch-palestinensischen Konflikt verändert? Welche Schlussfolgerungen
ergeben sich daraus bezüglich der Art des Framings internationaler
Konflikte, die mit politischen Zielen und sozio-kulturellen Interessen
der amerikanischen Politik zwar rhetorisch verbunden sind, die aber keine
direkte militärische Beteiligung der USA einschließen? Wie
weitreichend sind die Effekte eines derart einschneidenden Ereignisses,
und worin bestehen sie?
Medienwirkungsforschung, sozialer Konstruktivismus und die Theorie des
Framing bilden die Grundlage der Studie, die davon ausgeht, dass die von
den Medien verbreiteten Nachrichten nicht ohne Wirkung auf die Rezipienten
bleiben und dass signifikante Veränderungen der Medieninhalte eine
Veränderung der Art und Weise nach sich ziehen, wie das Medienpublikum
die Welt versteht. Gegenstand der Studie sind jedoch nicht Medieneffekte,
sondern die semantischen und narrativen Elemente des Medieninhalts, welche
Bedeutungen konstruieren und transportieren.
Editorials und Kommentare der New York Times aus dreizehn Monaten bilden
die Datengrundlage der Studie. Obwohl die Framing-Forschung zumeist die
Nachrichteninhalte fokussiert, bieten die Kommentare auf der Meinungsseite
einen wichtigen Zugang zu den dominanten Frames einer Zeitung, weil sie
den öffentlichen Standpunkt der Zeitung zum Ausdruck bringen und
einen Kontext für die Dekodierung der Nachrichten herstellen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Anschlag vom 11. September
zwar keinen Einfluss auf die Häufigkeit hatte, mit welcher die New
York Times Kommentare zum palestinensisch-israelischen Konflikt veröffentlichte.
Der Anschlag und andere dramatische Ereignisse während des Untersuchungszeitraums
veränderten jedoch den Bezugsrahmen, unter welchem die Diskussion
geführt wurde. So stellte die Meinungsseite der New York Times den
israelisch-palästinensischen Konflikt in den ersten Wochen nach dem
11. September vornehmlich in den Kontext der eigenen strategischen Interessen
der USA. Dieser Effekt war jedoch zeitlich begrenzt. Über den gesamten
Untersuchungszeitraum konstant blieb dagegen das unterschiedliche Framing
der beiden Konfliktparteien. Im Großen und Ganzen tendierten die
Editorials der New York Times dazu, die Palästinenser zu depersonalisieren
und sie eher als Gewalttäter darzustellen denn als Opfer. Israelische
Gewalttaten wurden dagegen bevorzugt in einen Bezugsrahmen von Recht und
Ordnung gestellt, und das persönliche Leid der israelischen Opfer
bildete häufig den Kontext, in dem die regionale Gewalt diskutiert
wurde.
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