conflict & communication online, Vol. 3, No. 1 & 2, 2004
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Jörg Becker
Der Beitrag der Medien zu Krisenprävention und Konfliktbereinigung

Weder lösen Medien einen Krieg aus, noch können sie ihn beenden. Medienkommunikation kann aber verstärkend in Prozesse von sozialer Kommunikation und gesellschaftlichem Wandel positiv eingreifen. Medienwirkung ist stets multikausal und langfristig. Medienwirkung im Hinblick auf Krisenprävention und Konfliktbearbeitung erfordert eine institutionelle Absicherung in der Form von kontroverser Öffentlichkeit, Möglichkeit zu Vielfalt und Pluralismus, Medienrecht als Rahmenbedingung von Rechtstaatlichkeit und journalistischen Ethikkodices als Regulativ für verantwortliches Handeln auf individueller Ebene.
Bei Projekten im Bereich von Medienarbeit zur Krisenprävention und Konfliktbearbeitung müssen folgende Probleme und Dilemmata gesehen werden: (1) das Verhältnis von Gewalt zu kultureller Autonomie, (2) das Verhältnis von innen zu außen, (3) das Verhältnis von sozialem Lernen zu technologischer Intervention, (4) das Verhältnis von NGOs zu Staat und Regierung und (5) das Verhältnis von Eingreifen zu Zurückhaltung.
Die Diskussionen in den 70er und 80er Jahren im Rahmen der sogenannten Entwicklungskommunikation stellen eine gute Ausgangsbasis für neue Aufgaben dar. Der alte Ansatz von Sozialarbeit mittels Medien ist zu revitalisieren und im Sinne von Gewaltprävention durch Medien neu zu durchdenken. Den für die Gewaltprävention geeigneten Medien Radio und Video sind heute neue Medien an die Seite zu stellen.
Um erfolgreich zu sein, aber auch, um eine notwendige neue politische Moral in der Entwicklungszusammenarbeit sichtbar werden zu lassen, wird empfohlen, ein soziales Netzwerk mit daran interessierten NGOs zu gründen und diese auf die folgenden vier formalen Projektprinzipien festzulegen: (1) Die Bedürfnisorientierung der Zielgruppe hat allerhöchste Priorität. (2) Vor Ort ist eine intensive Kooperation und Koordination mit allen anderen Projekten (gerade auch aus anderen Ländern und von "konkurrierenden" Geldgebern) erwünscht und notwendig. (3) Jedes Projekt muss professionell von außen evaluiert werden (vorher, während, nachher). (4) Es wird eine größtmögliche Transparenz in Bezug auf die Projektfinanzen, die politischen Auftraggeber und die Projektziele angestrebt. Zwar sind solche Grundsätze unspezifisch für Medienprojekte auf dem Gebiet der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung, aber gerade bei in diesem Aufgabenfeld gilt es eine Übereinstimmung zwischen Ziel und Mitteln anzustreben: Der Weg ist das Ziel.
Es wird außerdem empfohlen, sich insbesondere mit Medienprojekten im präventiven Bereich zu profilieren, da sie bislang kaum durchgeführt werden, da sie grundsätzlich auf Nachhaltigkeit angelegt sind, da sie eher im Bereich der Infrastruktur als der Nothilfe liegen und da sie (in einer Anstoßphase) einfacher zu veranstalten sind als Medienprojekte während eines oder nach einen Krieg/Konflikt. Präventive Projekte haben den methodischen Nachteil, dass man aus einer ex post-Perspektive nie eindeutig feststellen kann, ob gerade sie die Verschlimmerung eines Konfliktes verhindert haben; sie weisen aber den Vorteil auf, dass man sich im Vorfeld eines manifesten Konfliktes bewegt, also bei weitem weniger falsch machen kann als in der Hektik und Dynamik eines manifesten Konflikts oder unter den schwierigen Bedingungen eines Post-Konflikts.

 

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Zum Autor: Jörg Becker, geb. 1946,
Honorarprofessor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Marburg, Gastprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck, Österreich, und Geschäftsführer des KomTech-Instituts für Kommunikations- und Technologieforschung in Solingen; www.komtech.org.
Jüngste Veröffentlichungen: (Hg.) Türkische Medienkultur in Deutschland. 3 Bde., Loccum: Evangelische Akademie Loccum 2000-2003; (Hg.) Medien zwischen Krieg und Frieden, Baden-Baden: Nomos Verlag 2002; Information und Gesellschaft, Wien: Wissenschaftlicher Verlag Springer 2002; Conflict and Communication, New Delhi: Concept 2004.

Adresse: Kom Tech. Institut für Kommunikations- und Technologieforschung, Augustastr. 18, D – 42655 Solingen, Germany; eMail: joerg.becker@komtech.org