conflict & communication online, Vol. 3, No. 1 & 2, 2004
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Burkhard Bläsi
Friedensjournalismus und Nachrichtenproduktion

In den vergangenen Jahren wurden von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen Modelle eines „Friedensjournalismus“ bzw. „konstruktiver Konfliktberichterstattung“ präsentiert. Darin werden Wege aufgezeigt, wie Medien zu Prozessen der Deeskalation, Friedensschaffung und Versöhnung beitragen können anstatt Konflikte durch ihre Berichterstattung weiter anzuheizen. Solche theoretischen Modelle bleiben für die praktische Arbeit aber irrelevant, wenn sie nicht mit der Realität der heutigen Medien in Beziehung gesetzt werden.
Von großer Wichtigkeit ist daher, den Produktionsprozess von Konfliktberichterstattung mit in den Blick zu nehmen. Die Frage, welche Faktoren das Zustandekommen journalistischer Produkte in Konflikt- und Krisenzeiten beeinflussen, ist zugleich die Frage nach den faktischen Ausgangsbedingungen für jeden Versuch konstruktiver Konfliktberichterstattung.
Basierend auf qualitativen Experteninterviews mit deutschen Journalisten wird ein Modell der Einflussfaktoren von Konfliktberichterstattung vorgestellt.
Der Produktionsprozess von Konfliktberichterstattung lässt sich demnach als Resultat einer komplexen Interaktion von sechs Faktoren darstellen: (1) institutionelle und informelle mediale Strukturen; (2) spezifische Konfliktsituation vor Ort; (3) Merkmale des einzelnen Journalisten; (4) politisches Klimas, innerhalb dessen die Konfliktberichterstattung vonstatten geht; (5) Lobbyismus verschiedener Inter-essensgruppen, (6) Medienrezipienten.
Nach der Entfaltung des Gesamtmodells und einer kurzen Diskussion seiner Begrenzungen wird exemplarisch der Faktor „politisches Klima“ eingehender dargestellt und anhand der Erfahrungen deutscher Journalisten nach dem 11.9.2001 veranschaulicht.
Der Autor vertritt den Standpunkt, dass Modelle konstruktiver Konfliktberichterstattung nur dann für eine kritische Masse von Journalisten attraktiv werden, wenn realisierbare Vorschläge vorliegen, wie mit den Hindernissen umgegangen werden kann, denen Journalisten bei der Umsetzung solcher Modelle in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt sind. Das Modell der Einflussfaktoren von Konfliktberichterstattung könnte dafür einen brauchbaren Ausgangspunkt darstellen. Einerseits wird dadurch eine Systematisierung und Spezifizierung der bisherigen Versuche der Implementierung von Friedensjournalismus ermöglicht, zum anderen kann vermittelt es Anhaltspunkte für eine umfassendere Strategie, die alle relevanten Faktoren des Produktionsprozess beinhaltet.

 

  englischer Volltext  
 
Zum Autor: Burkhard Bläsi, Dipl.-Psych., geb. 1973, Studium der Psychologie und Soziologie an der Universität Konstanz und der University of Bath/UK. Forschungsinteressen: gewaltfreie Konfliktbearbeitung; Konflikt und Medien. Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Promotionsprojekt zum Thema "Friedensjournalismus und Medienrealität".

Adresse: Fachbereich Psychologie, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz, eMail: burkhard.blaesi@uni-konstanz.de