conflict & communication online, Vol. 3, No. 1 & 2, 2004
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Heikki Luostarinen & Risto Suikkanen
Illusionen oder Freundschaft? Die Sowjetunion und Russland in der finnischen Presse

Das Bild von der Sowjetunion und von Russland hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der finnischen Presse dramatisch verändert. Der vorliegende Text basiert auf einer Frequenzanalyse, in der das Vorkommen verschiedener Länder, Staatengruppen und internationaler Organisationen kodiert wurde (z. B. Sowjetunion/Russland, Vereinigte Staaten, NATO, UNO etc.). Um diese Analyse aussagekräftiger und interessanter zu machen, wurde eine Unterscheidung gemacht, ob die Bezugnahme erfolgte im Kontext von (1) Bündnis, Freundschaft und Kooperation, oder (2) Distanz, Restriktion und Feindbild, oder (3) sowohl in einem positiven als auch in einem negativen Kontext. Der Zeitrahmen wurde von 1945 bis zum Ende des Jahrhunderts gesetzt. Untersucht wurde die Berichterstattung an den Nationalfeiertagen. Die ausgewählten Zeitungen repräsentieren das gesamte Spektrum der finnischen Medien.
Die Studie zeigt deutlich auf, was Hauptgegenstand der finnischen Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg war: In dem gesamten kodierten Zeitungsmaterial wurde die Sowjetunion/Russland 222 Mal erwähnt, was 37.5% aller Erwähnungen ausmacht. Andere wichtige Staaten oder Staatengruppen waren die Vereinigten Staaten (5.3%), EC/EU/WEU/Westeuropa (12.6%), die Vereinten Nationen (9.0%) und die Nordischen Staaten (11.2%). Mit sehr wenigen Ausnahmen sind alle Bezugnahmen auf die UNO und die nordischen Staaten positiv. Auch die Sowjetunion wird ziemlich positiv beschrieben. Der Anteil der negativen Erwähnungen liegt bei 8.1%, und der der sowohl positiven als auch negativen Erwähnungen bei 14.4%. Die Vorstellungen von den Vereinigten Staaten und von den Europäischen Verbündeten sind die gegensätzlichsten. 54.8% der die USA betreffenden Erwähnungen sind positiv, während 45.2% negativ sind. Was die EC/EU etc. betrifft, so gibt es 54.1% positive Bezugnahmen, 28.4% negative, und 17.6% sind sowohl positiv als auch negativ.
Bemerkenswert sind die Einstellungsänderungen gegenüber der Sowjetunion. Der Anteil negativer Erwähnungen der Sowjetunion war durchgehend sehr gering. Einzige Ausnahme bildet das Jahr 1995 (30%), als Finnland bereits Mitglied der EU war. Jedoch war die Anzahl der Fälle, in denen auf die Sowjetunion sowohl positiv als auch negativ Bezug genommen wurde, zwischen 1945 und 1948 ziemlich hoch (27% und 22%). Die Bezugnahmen auf die Sowjetunion /Russland waren 1945, 1948 und 1989 am häufigsten. Die Abnahme der Erwähnungen zwischen 1989 (als die Sowjetunion am Rande des Zusammenbruchs stand) und 1993 ist sehr deutlich. Interessant ist, dass das Ausmaß der Berichterstattung über die Sowjetunion 1968 (Einmarsch in die Tschechoslowakei) auf einem sehr niedrigen Niveau angesiedelt war; man könnte vermuten, dass es nichts Positives zu sagen gab, dass aber auch niemand den Mut hatte, etwas Negatives zu schreiben. So lange die Sowjetunion existierte und Finnland in ihrem Schatten leben musste, tat die Presse nichts, um das Boot ins Wanken zu bringen. Im heutigen Mediendiskurs kann das schlimme Erbe des Kalten Krieges in seiner zynischen Haltungen gegenüber einer Rhetorik der Freundschaft und der Zusammenarbeit gesehen werden.
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  englischer Volltext  
 
Zu den Autoren:
Heikki Luostarinen, seit 1999 Professor für Journalismus an der Universität Jyväskylä, Finnland. Spezielle Interessengebiete: Kriegsberichterstattung, Propagandaforschung, Journalismuskritik; Nationalismus und die Medien. Publikationen (u. a.): Minorities in Finnish Publicity (mit Sari Pietikäinen), Nordicom-Information 4/1997; ‚The Quiet Finn'. National Stereotypes, Politics and the Media in a Small Country, Scottish Affairs, Summer 1997; Journalism and the New World Order Vol 2. Studying War and the Media (hrsg. mit Wilhelm Kempf), Göteborg, Nordicom 2002.
R
isto Suikkanen, seit 1996 Mitarbeiter am Zentrum für journalistische Forschung und Entwicklung an der Universität Tampere, Finnland. Spezielle Interessengebiete: Quantitative and qualitative Forschungsmethoden in Medienstudien. Veröffentlichung: Latent Class Analysis: Wandering in Latent Space (mit Esa Reunanen). Diskussionsbeiträge der Projektgruppe Friedensforschung Konstanz, Nr 44, 1999.

Adressen: Heikki Luostarinen, Department of Communication, Universität Jyväskylä (www.jyu.fi), PO 35, 40014 Universität Jyväskylä, Finnland. eMail: heikki.luostarinen@jyu.fi
R
isto Suikkanen, Department of Journalism and Mass Communication, Universität Tampere (www.uta.fi)
33014 Universität Tampere, Finnland. eMail: risto.suikkanen@uta.fi