conflict & communication online, Vol. 4, No. 1, 2005
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ISSN 1618-0747

 

 

 

Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ed), 2005. Die Wiedergeburt Europas. Von den Geburtswehen eines emanzipierten Europas und seinen Beziehungen zur "einsamen Supermacht". Münster: Agenda.

Welche Rolle soll/darf/will/kann Europa in dieser gewandelten Welt spielen, so lautet die zentrale Frage dieser Publikation. Nicht die einer zweiten Supermacht, also kein Pendant zu den kriegsbegeisterten, hochgerüsteten USA, dem Weltpolizisten à la carte - darüber sind sich die zahlreichen namhafte Autoren, darunter Ernst-Otto Czempiel, Ekkehart Krippendorff, Gerald Mader, Ottfried Nassauer, Werner Ruf u.a.m., einig. Jedoch auch darüber, dass sich Europa bzw. die Europäische Union mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik genau in diese Richtung zu entwickeln droht! Die Zeichen stehen auf Sturm - ist das Ende des Traums von einer europäischen Zivilmacht nahe?
Klammheimlich wollen wir immer schlagkräftiger werden; wollen zeigen, dass wir auch mitmischen können im "befrieden" der friedlosen Welt. Vergessen scheint beispielsweise die Erklärung zum Selbstverständnis der EU anlässlich des Gipfels von Laeken, in der hehre Ziele verewigt wurden wie jenes, dass das geeinte Europa zwar die Rolle einer Weltmacht spielen sollte, jedoch die einer humanitären - ein Kontinent der Vielfalt, Freiheit, Solidarität und gegenseitiger Achtung also. Europa als Macht, die jeder Form von Gewalt, Terror und Fanatismus den Kampf ansagt und, anstatt die Augen vor jeglichem Unrecht auf der Welt zu verschließen, die Verhältnisse für alle Länder zum Vorteil verändern möchte; kurzum: eine Macht, die der Globalisierung durch Solidarität und nachhaltige Entwicklung einen ethischen Rahmen geben will.
Heute hingegen tönt der Ruf nach "Coalitions of the Willing" und "War on Terrorism" aus den Lautsprechen der alten Welt, die scheinbar willfährig und gehorsam sich den Vorgaben der Militarisierungsmaschinerie aus Übersee anzupassen bereit ist. Darf das die Zukunft des vereinten Europas sein?
Blickt man ausgehend von der kriegerischen Vergangenheit unseres Kontinents nunmehr auf die Gegenwart, da ehemalige Kriegsgegner und verfeindete Staaten näher zusammenrücken als je erträumt, so sollte man meinen, dass sich Europa wie Phönix aus der Asche in neuem Glanz erhebt und mit frischer Energie ans friedvolle Werk schreitet. Doch statt mit gestärktem Selbstbewusstsein europäische Antworten auf globale Herausforderungen zu suchen, begibt sich der Kontinent blindlings in US-amerikanische Geiselhaft und lässt sich beinahe naiv auf militärisches Wettrüsten als Allheilmittel der Weltpolitik ein. Jedoch drohen gerade durch eine derartige gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in der EU-Verfassung zahlreiche Gefahren, deren Konsequenzen wie ein Damoklesschwert über dem ganzem Globus schweben: Krieg als Mittel der Politik wird weiter enttabuisiert, ja sogar als ggf. unausweichliches Mittel legitimiert. Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich zur uferlosen nationalen Aufrüstung, was in absehbarer Zeit weltweit neue Rüstungsdynamiken provozieren wird, nicht zuletzt weil eine gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik die eigenmächtige militärinterventionistische Lösung regionaler und lokaler Krisen bedeuten könnte. All das ist freilich Wasser auf die Mühlen der weltweiten Gewalt!
In der vorliegenden Publikation setzen sich zahlreiche Experten aus der Friedens- und Militärwissenschaft, des Völkerrechts, der Gewerkschafts- und Friedensbewegung kritisch mit der Entwicklung Europas - den Chancen und Risiken - auseinander. Ausgehend von einer vielfältigen und tiefgründigen Analyse des außen- und sicherheitspolitischen Weg Europas, erarbeiten sie Optionen des Kontinents im transatlantischen Verhältnis und zeigen argumentativ und wissenschaftlich fundiert, dass die Medaille immer zwei Seiten hat.

 

Ursula E. Gamauf

 

     
 


Zur Autorin: Mag. Ursula E. Gamauf, M.A. ist Koordinatorin für EU and OSCE bezogene Projekte am Austrian Study Center for Peace and Conflict Resolution (ASPR) in Stadtschlaining/Österreich. Arbeitsschwerpunkte: Frieden und Medien, Friedens- und Menschenrechtserziehung, Konflikt-Resolution und -Transformation.

Adresse: eMail: gamauf@aspr.ac.at

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