|
Susan Dente Ross
Konflikte dekonstruieren: Eine gezielte Überprüfung von Kriegs-
und Friedensjournalismus
Diese Übersicht
über Medien, Konfliktliteratur sowie Fallstudien zur Medienberichterstattung
über Frieden bietet eine Orientierung für Friedensjournalisten.
Viele Studien zeigen, dass die Medien selten neutral über Konflikte
berichten. Humanpsychologie, journalistische Normen und strukturelle Einschränkungen
halten die Medien von einer komplexen historischen Berichterstattung über
Gewalt ab. Die begrenzte systematische Forschung zur Medienberichterstattung
über Frieden reicht nicht aus, um auf den vorherrschenden Kriegsjournalismus
reagieren zu können. Eine Fallstudie der Berichterstattung von The
Washington Report über Friedensinitiativen im Nahen Osten weist
auf Probleme in der Medienberichterstattung über Frieden hin. Sie
lässt fünf Trends der Presseorientierungen erkennen. Demnach
sind Friedensinitiativen: 1. politische Manöver und strategische
Stellungnahmen, 2. rhetorische Spiele, um Konflikte und Differenzen zu
verschleiern, 3. eine Charade unter Spielern mit geringem Glauben an ihren
Erfolg, 4. fragil und unbeständig und 5. eine Übung in Doppelzüngigkeit
und Verzerrung.
Friedensjournalisten nutzen die Medien entweder in einer aktivistischen
Funktion oder betreiben Friedensjournalismus als objektiven Qualitätsjournalismus,
der unterrepräsentierte Perspektiven mit berücksichtigt, um
tiefere und breitere Informationen zu liefern. Diese Zuordnung reflektiert
seit langer Zeit bestehende ideologische Ziele im Gebiet der Konfliktstudien,
Friedensstudien und Konfliktlösung. In diesem Sinn diskutieren ökonomisch
orientierte Wissenschaftler auch die Beeinflussung der Medien durch Industriestrukturen
und Profitdenken, wodurch die Mächtigen bevorzugt und das Potential
für Veränderung eingeschränkt werden. Das Propagandamodell
der Medien zeigt, dass friedensjournalistische Initiativen wirkungslos
sind, da die Medien ein Sprachrohr der Regierung darstellen. Es wird behauptet,
dass die Situation der Welt nach dem Kalten Krieg Qualitätsjournalismus
unterdrückt und lokale Medien ineffiziente begrenzte Plattformen
zu Verbreitung alternativer Ideen darstellen. Kritische Wissenschaftler
betrachten Friedensjournalismus als fehlerhaft, unwirksam oder von vornherein
zum Scheitern verurteilt. Medientexte können jedoch vielfältig
interpretiert werden; Risse im Monolith bieten Gelegenheiten für
Reformen.
Friedensjournalismus muss tief verwurzelte professionelle Muster, strukturellen
und finanziellen Druck und psychologische Reaktionen, die eine reaktive,
nationalistische Berichterstattung fördern, verändern. Friedensjournalisten
müssen gut zuhören, "den anderen" mehr Gehör
schenken und dieses neue Verständnis begreifen und verinnerlichen,
um die Verbindungen zwischen Identität und Feindschaft zu überwinden.
Effektiver Friedensjournalismus muss ein Journalismus symbolischer Annäherung
sein. Er muss Journalisten als menschliche Wesen erkennen, die dem gleichen
sozialen, politischen, religiösen und nationalistischen Druck ausgesetzt
sind wie alle Menschen. Restrukturierung und Umschulung als Mittel zur
Befreiung unabhängiger Medien und Journalisten von ökonomischem
und politischem Druck sind entscheidend. Der Schlüssel liegt in einer
pluralistischen Verteilung von Besitz, Strukturen und Einkünften.
Training muss Journalisten gegen automatische Reaktionen auf Angst und
Gewalt impfen. Friedensjournalismus muss das Bewusstsein für die
verschiedenen Identitäten und Realitäten der Konfliktparteien,
für die Subjektivität und Kontextabhängigkeit der Konfliktursachen
und für die Falle des Dualismus einschließen.
|
|
|
Zur Autorin:
Susan Dente Ross ist Dekanin an der Washington State University, Fulbright
Senior Scholar, und ehemalige Journalistin und Zeitungsverlegerin. Der
Schwerpunkt ihrer Forschung liegt auf den Funktionen von Rechts- und Medieninstitutionen
hinsichtlich der Schaffung, Erhaltung oder Lösung sozialer Trennung
und Konflikte. Als Expertin für Medien- und Rechtspraktiken, durch
die eine volle politische Teilnahme unterminiert und Konflikte angefacht
werden, konzentriert sie ihre Forschung darauf, wie diese Institutionen
interkulturelle Konflikte unterstützen und unter welchen Bedingungen
sie Frieden und demokratische Partizipation fördern. Ihre Arbeit
trägt zu verschiedenen multinationalen Projekten zur Reform von Medienpraktiken
und zur Entwicklung eines universitären Lehrplans für Friedensjournalismus
bei.
Adresse: College
of Liberal Arts, 309E Thompson Hall, PO Box 642630, Washington State University,
Pullman, WA 99164 USA
eMail: suross@wsu.edu
|
|