Editorial

 

 


Das Verhältnis von Krieg, Journalismus und den Medien war immer schon problematisch. Fast zeitgleich mit der Entstehung der Tageszeitungen begannen die Krieg führenden Eliten, die Presse (und später auch andere Medien) zu zensieren und/oder für ihre Zwecke zu funktionalisieren. Auch Journalisten haben sich immer wieder selbst als Kämpfer an der Propagandafront verstanden. Zugleich aber hat es stets auch kritische Journalisten gegeben, die sich nicht funktionalisieren ließen, die dem Ideal einer wahrheitsgemäßen und unparteilichen Berichterstattung selbst unter massivem sozialem Druck nicht abgeschworen haben; und manche, die für das Recht auf freie Meinungsäußerung sogar ihr Leben lassen mussten.
Auch in den Kommunikations- und Medienwissenschaften sind Propaganda und Kriegsberichterstattung ein Dauerbrenner. Jeder neue Krieg zieht eine Unmenge an sozialwissenschaftlichen Studien nach sich: solche, die der Optimierung von Propaganda dienen, zunehmend aber auch solche, die der unheiligen Allianz von Militär und Medien nachspüren und/oder die faktische Ununterscheidbarkeit von Kriegsberichterstattung und Propaganda offen legen.
Erst gegen Ende des letzten Jahrtausends jedoch begannen Friedensforscher, Kommunikationswissenschaftler, Journalisten und Medienschaffende systematisch darüber nachzudenken, wie das Potential der Medien dazu genutzt werden könnte, statt zur Anheizung von Konflikten zur friedlichen Streitbeilegung und am Ende vielleicht sogar zur Versöhnung zwischen den Konfliktparteien beizutragen.
Was zunächst noch ein akademisches Projekt war, entwickelte sich rasch zu einer Art Bewegung, die unter dem Schlagwort "Friedensjournalismus" teilweise recht heterogene Bemühungen in sich vereinigt, die von sozialwissenschaftlicher Grundlagenforschung über Fallstudien zur aktuellen Kriegs- und Nachkriegsberichterstattung der Medien bis hin zu Fortbildungs- und Trainingskursen für Journalisten reichen.
Die vorliegende und die nächsten beiden Ausgaben von conflict & communication online sind einer kritischen Bestandsaufnahme dieser Bemühungen gewidmet. Die ersten beiden Hefte stellen theoretische Zugänge (Vol. 5, No. 2, Oktober 2006) sowie Fallstudien und Unterrichtsmaterialien (Vol. 6, No. 1, April 2007) vor, deren Entwicklung vom Toda Institute for Global Peace and Policy Research gesponsert wurde. Die Autoren, teils Wissenschaftler, teils Praktiker, gehören zu den prominentesten Vertretern des Friedensjournalismus-Projektes. Im dritten Heft (Vol. 6, No. 2, Oktober 2007) kommen dann die Kritiker des Friedensjournalismus zu Wort. Unter dem Titel "Die Friedensjournalismus-Kontroverse" findet ein Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern des Friedensjournalismus statt. Als Kritiker konnten mit dem BBC-Journalisten David Loyn und dem Medienwissenschaftler Thomas Hanitzsch von der TU-Ilmenau auch hierfür wieder zwei hochrangige Autoren gewonnen werden.

Konstanz - Berlin
Im Oktober 2006

Wilhelm Kempf

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