conflict & communication online, Vol. 5, No. 2, 2006
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Christian Büttner, Joachim von Gottberg & Magdalena Kladzinski, 2005. Krieg in Bildschirmmedien. München: kopaed.

Wir leben in einer Welt, in der räumliche und zeitliche Entfernungen durch bildgebende Medien wie Satellitenfernsehen und Internet zunehmend an Bedeutung verlieren und jede kriegerische oder gewaltsame Auseinandersetzung von noch so entlegenen Orten auf dem Globus sich via Satellitenübertragung nahezu ohne Zeitverzögerung in unsere Wohnzimmer oder über das World Wide Web auf den Computermonitor unserer Kinder drängt. Deshalb ist es dringend notwendig, die Auswirkungen dieser Bilder und Berichte auf Kinder und Jugendliche und auch auf uns selbst verantwortlich wahrzunehmen, aufzufangen und gegebenenfalls zu beschränken.
Der Aktualitätsdruck der Presse verlangt die Ausstrahlung wichtiger Ereignisse insbesondere in Kriegssituationen auch zu Zeiten, wenn Kinder und Jugendliche fernsehen, wodurch sie zwangsläufig mehr oder weniger heftigen Gewaltdarstellungen ausgesetzt werden. Wie können wir uns und unsere Kinder vor den Wirkungen dieser Bilder schützen? Welche Stellen sind dafür zuständig? Welche gesetzlichen Bestimmungen gelten?
Dieses Buch entstand anlässlich der Diskussion um die Ausstrahlung des insbesondere aufgrund seiner umstrittenen blutigen Anfangssequenz erst ab 16 Jahre freigegebenen Kriegsfilms "Der Soldat James Ryan" im frühen Abendprogramm, wenn auch jüngere Kinder noch am TV-Programm teilnehmen. In diesem Zusammenhang erstellten die Autoren eine detaillierte Übersicht über die verschiedenen Gremien und Institutionen, die sich mit Regeln und rechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen und auch der Erwachsenen vor Gewaltdarstellungen in Internet, Computerspielen, Nachrichten und Spielfilmen befassen, und erklären anschaulich deren Vorgehensweisen. Darüber hinaus werden auch konkrete, praktische und didaktische Ansätze zur Behandlung dieser Thematik in der pädagogischen Praxis sowohl für den Schulunterricht als auch für die außerschulische Bildungsarbeit erläutert.
Im ersten Teil des Buches beschäftigen sich der Psychologe Christian Büttner und die Kulturwissenschaftlerin Magdalena Kladzinski mit der Rolle der Medien als Informationslieferant und hinsichtlich ihrer Darstellung der Kriegswirklichkeit, wobei die aktuellen Begriffe "Infotainment", "Politainment" und "Militainment" aufgegriffen werden. Magdalena Kladzinski vergleicht gezielt die Gestaltungsprinzipien von Krieg in Kriegsfilmen, TV-Nachrichten und Computerspielen.
Der zweite Teil des Buches stellt die Darbietung von Krieg in den Bildschirmmedien in einen gesellschaftspolitischen Zusammenhang. Magdalena Kladzinski setzt sich mit der Frage auseinander, welche Rolle die Medien in Demokratien und Nicht-Demokratien spielen und in welchem Verhältnis Medien, Militär und Politik zueinander stehen. Die Medienpädagogin Claudia Mikat wendet sich dem Problem zu, wie viel Gewaltdarstellung Zuschauer vertragen, und veranschaulicht an mehreren konkreten Beispielen die Entscheidungspraxis der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK). Jürgen Hilse, Mitarbeiter der Obersten Landesjugendbehörden bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, gibt anhand realer Beispiele einen Einblick in die Schwierigkeiten und Bewertungskriterien bei der Beurteilung der Freigabe bzw. Altersbeschränkung von Computerspielen. Sabine Frank von der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und die Medienwissenschaftlerin Isabell Rausch erläutern an zwei Fallbeispielen das Vorgehen und die Argumentation bei Entscheidungen des Beschwerdeausschusses der FSM über Klagen hinsichtlich gewalthaltiger Darstellungen im Internet. Christian Büttner und Magdalena Kladzinski runden diesen Teil ab, indem sie sich mit der Verarbeitung von Kriegstraumata am Beispiel der Kriegsveteranen, ihrer Integration in die Gesellschaft und der entsprechenden Behandlung in den Medien auseinandersetzen.
Der dritte Teil des Buches liefert Informationen über das Genre "Kriegsfilm", die Produktion von Nachrichten für Kinder, die Entwicklung und Vermarktung von Computerkriegsspielen und die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Bezug auf den Umgang mit dem Thema "Krieg" und seiner Präsentation in den Medien. Die Pädagogin Maya Götz geht gezielt auf Aspekte der Bearbeitung von Krieg in den Nachrichten für Kinder ein und verdeutlicht dies an verschiedenen greifbaren Beispielen wie der Kindernachrichtensendung "logo!". Der TV-Redakteur Hans-Otto Horst gibt einen Überblick über die Entstehung und Wandlung des Kriegsfilms von Beginn der Filmgeschichte an und erläutert, wie dabei Themen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, des Vietnamkriegs und der Golfkriege umgesetzt wurden. Die Entwicklung von Kriegsspielen, die Zusammenarbeit von Unterhaltungsindustrie und Militär und Aspekte, welche die Anwendung des Jugendschutzgesetzes behindern, werden von Hartmut Gieselmann, Redakteur des Computermagazins "c't", anhand mehrerer Beispiele eindrücklich beschrieben. Eine ausführliche Datenbank zu den Genres Kriegsfilm und Computerspiele befindet sich auf der beigefügten CD-Rom. Christian Büttner und Magdalena Kladzinski steuern Ergebnisse einer Befragung und Auswertung von Gruppendiskussionen mit Jugendlichen zum Thema Kriegsdarstellung in den Medien bei. Hinweise und Anleitung für die konkrete Umsetzung der bislang dargelegten theoretischen Erkenntnisse in der praktischen pädagogischen Arbeit liefert der Pädagoge Günther Gugel. Die reichhaltigen didaktischen Materialien dazu werden auf der beiliegenden CD-Rom mitgeliefert. Zu guter letzt beschreibt der Kunstpädagoge Jochen Krautz ein bereits durchgeführtes pädagogisches Unterrichtsprojekt zum Irakkrieg 2003, in welchem deutlich wird, dass Friedenspädagogik sowohl einen rationalen als auch einen emotionalen Zugang zum Thema bieten muss, wenn sie wirkungsvoll umgesetzt werden soll.
D
as vorliegende Buch liefert nicht nur eine anschauliche und verständliche Übersicht zu theoretischen Aspekten und rechtlichen Grundlagen innerhalb der Thematik "Krieg in Bildschirmmedien", sondern auch Ideen für die konkrete Umsetzung der Erkenntnisse in die pädagogische Praxis. Beide Teile werden durch ausführliches Material auf der mitgelieferten CD-Rom ausgezeichnet ergänzt. Dabei wird die Vielschichtigkeit des Themas erhalten und insbesondere die Besonderheit der Darstellung von Krieg und Gewalt für Kinder und Jugendliche greifbar und ausdrucksvoll aufbereitet. Entscheidungen der FSM und FSK werden für den Leser nachvollziehbar.
Insgesamt stellt dieses Buch eine gelungene Zusammenstellung sich optimal ergänzender Beiträge aus unterschiedlichen Bereichen dar, die sich mit verschiedenen Gesichtspunkten der Darbietung von Krieg und Gewalt in den Medien auseinandersetzen.
Der psychoanalytische Zugang zur Bewältigung der Traumata von Kriegsveteranen im Rahmen dieses sonst eher in Richtung medialer Darstellung orientierten Buches mag auf den ersten Blick vielleicht etwas befremdlich wirken, da sich dieses Kapitel mit der Verarbeitung unangenehmer Emotionen und Verletzungen auseinandersetzt und dabei über Aspekte der medialen Umsetzung deutlich hinausgeht. Um ein Verständnis für die Parallelen der psychologischen Vorgänge im Individuum und der äquivalenten gesellschaftlichen Prozesse zu erhalten, ist diese psychologische Bearbeitung des Themas jedoch notwendig.
Auf jeden Fall bildet dieses Buch eine interessante, anregende Lektüre nicht nur für jeden, der im Bereich Friedensforschung, -pädagogik und Medienpädagogik tätig ist , sondern insbesondere auch für Eltern - und auch Nicht-Eltern -, die mit Gewaltdarstellungen in den Bildschirmmedien verantwortlich umgehen wollen.

Monika Spohrs

 

     
 

Über die Autorin: Monika Spohrs, geb. 1965 in Eppstein/ Hessen. 1999-2006 Studium der Psychologie und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz. Seit 2002 Mitarbeiterin in der Projektgruppe Friedensforschung. Arbeitsschwerpunkt: Experimentelle Rezeptionsforschung. Aktuelle Publikationen: Reception and acceptance of constructive conflict coverage - Design of an experimental study (gemeinsam mit Ute Annabring, 2004); Glaubwürdigkeit und Attraktivität von eskalations- und deeskalationsorientierten Nachrichtentexten (gemeinsam mit Burkhard Bläsi, Susanne Jaeger und Wilhelm Kempf, 2005); Über den Nachrichtenwert von Friedensjournalismus - Ergebnisse einer experimentellen Studie (2006).

Adresse: Fachbereich Psychologie, Universität Konstanz, D-78457 Konstanz.
eMail: Monika.Spohrs@uni-konstanz.de

zurück zum Inhaltsverzeichnis