conflict & communication online, Vol. 7, No. 1, 2008
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ISSN 1618-0747

 

 

 

Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ed.), Gute Medien - Böser Krieg ? Medien am schmalen Grat zwischen Cheerleadern des Militärs und Friedensjournalismus. 2007. Münster: LIT.

Terroristische Anschläge und eskalierende politische Konflikte, deren Lösung mit militärischen Eingriffen zu erzwingen versucht wird, sind in den heutigen Medien allgegenwärtig. Hinzu kommt eine immer schnellere Veränderung unserer Medienlandschaft durch Satellitenübertragung und Internet, in Verbindung mit von den Medien transportierten Falschinformationen wie beispielsweise der "Brutkasten-Story" von 1990 oder dem "Brotschlangen-Massaker" von 1992. Eine sorgfältige Auseinandersetzung damit ist dringend erforderlich, um weitere "Öl-ins-Feuer"-Phänomene zu vermeiden. Dies tun nicht nur Medien- und Politikwissenschaftler auf der ganzen Welt, sondern auch Journalisten, Politiker, Sprachwissenschaftler und ein großer Teil der internationalen Öffentlichkeit.
Der vorliegende Sammelband "Gute Medien - Böser Krieg?" entstand im Juli 2006 im Rahmen der 23. Internationalen Sommerakademie des Friedenszentrums Burg Schlaining im südlichen Burgenland, wo sich über 350 Besucher und Forscher in diversen Arbeitsgruppen mit Themen wie Pressefreiheit, Demokratie, Kriegsberichterstattung, Aufgaben und Funktion der Medien, Produktionsbedingungen journalistischer Arbeit, sprachlichen und strategischen Aspekte von Berichterstattung auseinandersetzten.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert, die jeweils unterschiedlichen Themenkomplexen zugeordnet sind. Einen Schwerpunkt des Buches stellt die Aufgabe der Medien in ihrer Rolle als 4. Gewalt sowohl unter normativen Aspekten als auch in ihrer konkreten Umsetzung dar. Diesem Thema ist vorwiegend der erste Teil gewidmet. Im zweiten Teil werden darüber hinaus die Produktionsbedingungen journalistischer Arbeit beleuchtet, insbesondere die Situation von Journalisten in Krisengebieten. Ergänzend zu den Analysen westlicher Nachrichtenmedien werden im dritten Teil des Buches auch arabische Sender anschaulich beschrieben. Erweitert werden diese Erkenntnisse im vierten Teil durch medienpolitische Konzepte zu einer konfliktsensitiven Berichterstattung, durch konkrete Beispiele für misslungenen objektiven Journalismus und durch Forderungen, die sich daraus für die Zukunft ergeben.
Zur Einführung stellt Thomas Roithner in seinem Vorwort den Zusammenhang zwischen den Beiträgen und aktuellen Entwicklungen der Medienproduktion und -übertragung her.
Gerald Mader erörtert die Grundkonzeption von Burg Schlaining hinsichtlich der europäischen Friedenspolitik und der geplanten Friedensuniversität. Er diskutiert Begriffe wie Frieden, Friedenspolitik, Friedensforschung, humanitäre Interventionen sowie die Politik der Bush-Regierung und bestärkt die Relevanz der Thematik der Sommerakademie mit Forderungen nach gesellschaftlichem Umdenken und dem entsprechenden Beitrag der Medien.
Freimut Duve, Medienbeauftragter der OSZE, geht auf die zunehmende Kommerzialisierung der Medien zu Lasten der Qualität der Berichterstattung ein und schlägt einen historischen Bogen vom ersten zielgerichteten Einsatz der Medien am Beispiel Adolf Hitlers bis zur Berichterstattung über das Ende der Sowjetunion. Er beschäftigt sich mit der Verantwortung von Journalisten und fordert eine Auseinandersetzung mit Fragen nach der Grenze zwischen Information und Unterhaltung, der Grenze der Unabhängigkeit einer Publikation, der Bedeutung von Kriegsjournalismus für den Rezipienten, mit Mechanismen moderner Kriegsberichterstattung und ihren Folgen für politische Prozesse und insbesondere damit, welche Funktion Feindbilder für die Beteiligten und Journalisten haben.
Der erste Teil des Buches liefert ein allgemeines Bild über die Entwicklung der Berichterstattung seit dem 19.Jahrhundert, Positionen zur Funktion der Medien in ihrer Rolle als 4. Gewalt und Informationen über die Besonderheiten von Kriegsberichterstattung und den Zusammenhang zwischen Medien und Hegemonie.
Mira Beham erläutert die Funktion der Medien als Informationsquelle für die Bevölkerung und skizziert einen Abriss der Entwicklung und Veränderungen der Berichterstattung seit dem amerikanischen Sezessionskrieg. Dabei beleuchtet sie Aspekte wie Geschwindigkeit der Nachrichtenlieferung, Bedeutung der Fotografie in der Kriegsberichterstattung; Propaganda, die im 2. Weltkrieg ein neues Ausmaß durch die Fernsehübertragung gewann, die "embedded journalists"-Thematik und Einflüsse der aktuellen Internetnachrichtenproduktion. Sie schließt ihren Beitrag mit einem Katalog von Kriterien zur Messung der Qualität einer Berichterstattung.
Heinz Loquai ergänzt seine Darstellung der Funktion der Medien um die Forderung nach ihrer Verantwortung für eine wahrheitsgemäße faire Berichterstattung. Er geht insbesondere auf Manipulationstechniken wie die Verwendung von Metaphern und Euphemismen und die besondere Wirkung von Bildern in der Berichterstattung ein und veranschaulicht diese Mechanismen an vier konkreten Beispielen aus der deutschen Presse.
Der letzte Autor des ersten Teils, Werner Ruf, stellt den Zusammenhang zwischen Hegemonie im Sinne von Dominanz im Bewusstsein und Medien her. Er beschreibt Auswirkungen von Hegemonie wie beispielsweise den Verlust politisch-emanzipatorischer Bestrebungen, welchen Stellenwert der gesunde Menschenverstand dabei hat und wie er solchen Effekten entgegenwirken kann. Anhand der Lasswell-Formel erläutert er die Aufrechterhaltung und Verstärkung der Hegemonie durch die Medien und welchen Einfluss Informationsmonopole auf die Themenpräsenz der Nachrichten ausüben. Abschließend beschreibt er Ansätze für eine mögliche Gegentendenz zur vorhandenen Hegemonie und nennt reale Beispiele wie Friedensdemonstrationen, den arabischen Sender Al-Jazira oder die Kritik der Medien am Irak-Krieg als bestehende "Gegenöffentlichkeit".
Im zweiten Teil des Buches erhält der Leser detaillierte Informationen über die strategische Manipulation der Medien sowohl durch das US-Militär als auch durch die US-Regierung.
Jürgen Rose erörtert Propagandamethoden wie direkte und indirekte Zensur, Desinformation und Manipulation und stellt anhand der "Joint Doctrine for Public Affairs" des Pentagon und einer "Air Force Doctrine" die Vorschriften für die Handhabung von Informationslieferungen für die Öffentlichkeit vor. Darüber hinaus beschreibt er das "embedding-project" für Journalisten, welche Privilegien die teilnehmenden Berichterstatter erhielten und welchen Auflagen sie sich verpflichten mussten. Er schließt seinen Beitrag mit einem Ausblick auf die regierungs- und militärgesteuerte Informationspolitik, welche bereits für den möglichen Krieg gegen den Iran eingesetzt wurde.
Thomas Seifert beschreibt am Beispiel des "Krieges gegen den Terror" die Vorgehensweise der US-Regierung gegenüber Medien und Journalisten. Sein Beitrag ergänzt das "embedded-project" noch um konkrete Sicherheitsprobleme für Journalisten in Krisengebieten und Grundsätze, welche die Medienunternehmen diesbezüglich beachten sollten.
Der dritte Teil des Buches setzt sich mit der Entwicklung der arabischen Medien auseinander, insbesondere mit dem Sender Al-Jazira und dem Einfluss der Satellitentechnik auf die Berichterstattung.
Aktham Suliman geht auf die Rolle der Medien und insbesondere des Senders Al-Jazira nach dem 11. September ein. Er skizziert die Entwicklung der arabischen Fernsehsender davor und welche Veränderungen sich danach für Al-Jazira ergeben haben. Dabei betrachtet er den Sender aus drei Blickwinkeln: 1. der Sicht der Anderen auf Al-Jazira, 2. des Blicks des Senders auf sich selbst und 3. des Blicks von Al-Jazira auf die Anderen.
Karin Kneissl charakterisiert die Berichterstattung in den arabischen Staaten und deren Veränderung durch technische Einflüsse wie die Verbreitung der Satellitensender und stellt dabei ihre Perspektive auf Al-Jazira dar. Sie liefert ein anschauliches Bild der Inhalte arabischer Sender, vergleicht verschiedene Länder wie Ägypten, Algerien, Libanon, Saudi Arabien und Tunesien und erläutert die Rolle des Weblog als Medium des Protests gegen das Regime.
Abschließend werden im 4. Teil des Buches zunächst verschiedene normative Anforderungen an einen konfliktsensitiven Journalismus erörtert, ein konkretes Beispiel für die Missachtung einer objektiven Berichterstattung beschrieben und die Rolle der UNO bei der Verbreitung von Informationen beleuchtet.
Nadine Bilke erläutert, inwiefern Massenmedien die Basis für die Meinungs- und Willensbildung darstellen und welche besondere Verantwortung sich daraus für die Trias Journalismus, Medienorganisation und Publikum ergibt. Des Weiteren stellt sie konkrete Forderungen für die praktische Umsetzung eines friedensjournalistischen Konzepts auf, welche v.a. unter Transparenz, Wahrhaftigkeit, allparteilicher Perspektive und dem Vermeiden von Konkurrenzlogik in der Konfliktkonzeptualisierung zusammengefasst werden können.
Andreas Zumach liefert als Fallbeispiel für die Missachtung objektiver Berichterstattung die Darstellung des Irans in der Presse und erläutert anhand der fünf Aspekte Kontext, Fakten, Interpretation von Begriffen und Äußerungen, Personalisierung und Lösungsvorschläge, welches Bild dadurch vom Iran erzeugt wurde. Er belegt seine Ausführungen über die ökonomisch-strategischen Aspekte mit überzeugenden Zahlen und ergänzt sein Kapitel mit dem Beispiel einer gelungenen Darstellung konkreter Lösungsansätze für die Deeskalation des Iran-Konflikts in der Berliner "tageszeitung".
Hans-Christoph Graf Sponeck betrachtet das Wirken der UNO und im Besonderen des Sicherheitsrates und deren Einflüsse auf die Kriegsentwicklung im Irak. Letztlich leitet er aus stattgefundenem Fehlverhalten zehn konkrete Konsequenzen für Politik, Medien und Zivilgesellschaft ab.
In dem hier vorgestellten Band "Gute Medien - Böser Krieg" wird auf eindrückliche Weise ein umfassendes Bild sowohl der westlichen als auch der arabischen Kriegsberichterstattung gezeichnet und anhand realer Beispiele veranschaulicht. Insbesondere der Einfluss des Militärs und politischer Organisationen werden deutlich. Fälle konfliktverschärfender Berichterstattung werden an konkreten Darstellungen aufgezeigt und klare Konsequenzen daraus abgeleitet. Die abgeleiteten Forderungen wenden sich nicht nur an Journalisten und Medienunternehmen, sondern darüber hinaus auch an Politik und Zivilgesellschaft.
Mit dieser Vielschichtigkeit setzt sich das Buch von vielen anderen eher einseitig auf einen speziellen Bereich wie die Medienproduktion oder politische Analysen fokussierten Werken ab und gibt einen facettenreichen Überblick. Die Beiträge werden überwiegend durch hervorragend recherchierte Fakten gestützt.
Alle Autoren präsentieren ihre Thematik spannend und gut verständlich. Einzig das Kapitel von Werner Ruf erfordert zu Beginn ein wenig Durchhaltevermögen, da der Zusammenhang zwischen Hegemonie und Medienproduktion nicht sofort ersichtlich wird. Der Einstieg wirkt zunächst eher ideologisch, jedoch nach den ersten Seiten wird die Medienrelevanz deutlich.
Insgesamt stellen die umfangreichen Informationen aus den verschiedenen Themenbereichen eine interessante Lektüre auch für Spezialisten auf einzelnen Gebieten der Friedensforschung dar und ergänzen sich gegenseitig ausgezeichnet.
Dieses Buch kann das Kontextwissen von Friedenswissenschaftlern jeglicher Disziplinen bereichern.

Monika Spohrs

 

 

     
 

Über die Autorin: Monika Spohrs, geboren 1965 in Eppstein/ Hessen. 1999 2006 Studium der Psychologie und Medienwissenschaften an der Universität Konstanz. Seit 2002 Mitarbeiterin in der Projektgruppe Friedensforschung. Arbeitsschwerpunkt: Experimentelle Rezeptionsforschung.
Adresse: Fachbereich Psychologie, Universität Konstanz, D 78457 Konstanz.

Adresse: eMail: Monika.Spohrs@uni-konstanz.de

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