conflict & communication online, Vol. 16, No. 1, 2017
www.cco.regener-online.de
ISSN 1618-0747

 

 

 

Wilhelm Kempf
Über die Bedeutung von NS-Vergleichen im Israel-kritischen Diskurs

Abgesehen von der Leugnung des Holocaust kann Israelis und Juden auf der ganzen Welt wohl kaum etwas mehr empören als Vergleiche der israelischen Palästinapolitik mit der Judenpolitik des Nationalsozialismus. Namentlich, wenn sie von Deutschen geäußert werden, liegt der Verdacht nahe, dass sie eine Ausdrucksform von sekundärem Antisemitismus sind. Andererseits gehört es in westlichen Demokratien aber schon fast zur politischen Kultur, immer dann, wenn man prekäre Menschenrechtslagen dramatisieren und einen Handlungsbedarf zu ihrer Veränderung begründen will, auf NS-Vergleiche zurückzugreifen.

Gestützt auf neue Analysen der in Kempf (2015) veröffentlichten Umfragedaten wird gezeigt, dass NS-Vergleiche sowohl eine antisemitische Dämonisierung der Juden als auch eine antizionistische Dramatisierung der Menschenrechtslage der Palästinenser bedeuten können, während Leute, die sich konsequent und vorbehaltlos für die Menschrechte engagieren, zwar einen starken Handlungsbedarf zur Änderung der israelischen Politik sehen, ihre Gleichsetzung mit der NS-Politik jedoch strikt zurückweisen.

 

 

   
 

Zum Autor:
Wilhelm Kempf ist Professor emeritus für Psychologische Methodenlehre und Friedensforschung an der Universität Konstanz. Seit 2002 ist er Herausgeber von conflict & communication online (www.cco.regener-online.de). Seine Forschungsinteressen umfassen quantitative und qualitative Forschungsmethoden, gewaltfreie Konfliktlösung, Friedensjournalismus und die soziale Konstruktion der Wirklichkeit in den Massenmedien. Zur Zeit arbeitet er an einem Forschungsprojekt über „Israelkritik, Umgang mit der deutschen Geschichte und Ausdifferenzierung des modernen Antisemitismus”.

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